Matthias Richter, Staatssekretär im Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen, hat zur Verbände-Beteiligung zum Entwurf des Kernlehrplans für die Sekundarstufe 1 im neuen Schulfach „Wirtschaft“ eingeladen. Als Wirtschaftsjunioren haben wir unsere Erwartungen nicht nur in die Diskussion eingebracht, sondern auch zum Abschluss der Beteiligung persönlich an Herrn Richter übergeben. Wir freuen uns sehr, dass wir uns bei der Verbände-Beteiligung aktiv einbringen konnten und stehen für weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit gerne zur Verfügung.
—————— Stellungnahme der Wirtschaftsjunioren Nordrhein-Westfalen e.V. ——————
Sehr geehrter Herr Staatssekretär Richter,
die Wirtschaftsjunioren NRW haben mit großer Freude zur Kenntnis genommen, dass die Landesregierung nunmehr ein Schulfach Wirtschaft auf den Weg gebracht hat.
Gern kommen wir in diesem Zusammenhang der Möglichkeit der Verbände-Beteiligung nach und übergeben Ihnen hier unsere Stellungnahme zum geplanten „Kernlehrplan für die Sekundarstufe I Realschule in NRW – Wirtschaft“:
Zunächst begrüßen wir nicht nur die Einführung des Schulfaches, sondern auch die im Entwurf formulierte Grundidee, „bei Schülerinnen und Schülern ökonomische und politische Mündigkeit zu entwickeln„. Explizit begrüßen wir zudem, dass eine der Rollen, die von den Schülern eingenommen und thematisiert werden sollen, die der Unternehmerinnen und Unternehmer sein soll.
Gerade aus diesem Grund regen wir aber unbedingt an, den betreffenden Kernlehrplan um ein zusätzliches „Inhaltsfeld Unternehmerische Wertschöpfung“ zu ergänzen. Dieses sollte dazu dienen, Schülerinnen und Schülern die grundlegenden Inhalte unternehmerischer Tätigkeit vertiefend zu vermitteln. Hierzu gehört primär der Prozess der unternehmerischen Wertschöpfung (Umsatz, Produktion, Schaffung und Gestaltung von Arbeitsplätzen, Gewinne und Steuern). Zudem sollten auch Kernpunkte einer Gründungsentscheidung (Gründungs-Idee, Business-Plan) thematisiert werden. Durch eine Orientierung am Prozess der betrieblichen Wertschöpfung und dessen zugehöriger Unterstützungsfunktionen können sich Schülerinnen und Schüler gleichermaßen die inneren und äußeren wirtschaftlichen Zusammenhänge der unternehmerischen Existenz und Verantwortung erschließen und zudem das im Kernlehrplan genannte Ziel, die Rolle der Unternehmerin bzw. des Unternehmers einzunehmen, erreichen. In dem neuen Inhaltsfeld können im Sinne einer Straffung und inhaltlichen Klarheit teilweise bisher in den Inhaltsfeldern 1 und 3 vorgesehene Inhalte aufgehen.
So regen wir an, insbesondere das Inhaltsfeld 3 „Unternehmen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen in der Sozialen Marktwirtschaft“ um die vorgenannten Zusammenhänge (Formulierung im Entwurf: „Betriebliche Prozesse und Strukturen“) zu entlasten und in diesem Inhaltsfeld eine – dann auch der Überschrift gerecht werdende – Fokussierung auf die Rolle und Verantwortung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt vorzunehmen. Dabei sollte das Grundprinzip Tarifautonomie als besonderes Gut und herausragendes Merkmal unseres Wirtschaftssystems auch im Kernlehrplan explizit Erwähnung finden.
Zum Inhaltsfeld 2 „Nachhaltige Entwicklung in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft“ führt der Kernlehrplan aus unserer Sicht treffend aus, dass es wichtig ist, die „ökonomischen, sozialen und ökologischen Herausforderungen der globalisierten Welt“ zu thematisieren. Inhaltlich wäre es aus unserer Sicht jedoch dringend angeraten, auch hier die Perspektive unternehmerischen Handelns nicht zu vernachlässigen. Corporate Social Responsibility sowie ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltiges Wirtschaften sind Teil des Selbstverständnisses weiter Teile der Wirtschaft und entsprechen dem Leitbild des „ehrbaren Kaufmanns“, dem sich u.a. die Wirtschaftsjunioren verpflichtet fühlen. Eine Beschränkung auf die Perspektive des Verbrauchers oder eines „neutralen Beobachters“ reicht aus unserer Sicht daher nicht aus, diese Zusammenhänge und dieses positive Unternehmerbild hinreichend zu vermitteln.
Dem Inhaltsfeld 4 „Handeln als Verbraucherinnen und Verbraucher“ messen wir eine besondere Bedeutung im Hinblick auf die Zielsetzung der Entwicklung „ökonomischer Mündigkeit“ bei. Als grundlegende und verfassungsmäßig verankerte Basis sollte hier jedoch zunächst der Grundsatz der Privatautonomie – als verfassungsmäßiges Grundprinzip und elementare „rechtlichen Rahmenbedingungen des Handelns“ – unbedingt explizite Erwähnung finden. Die bisher alleinig erwähnte „Durchsetzung von Verbraucherrechten“ stützt sich dagegen auf diesen Grundsatz und schränkt ihn nur da ein, wo dies im Einzelfall notwendig ist. Den „Spezialfall“ der Verbraucherrechte alleinig und ohne den Grundsatz der Privatautonomie zu erwähnen, negiert in unserer Wahrnehmung geradezu die eigentlich postulierte und wünschenswerte Idee des mündigen Verbrauchers. Unabhängig davon regen wir ergänzend an, in diesem Inhaltsfeld weitere lebenspraktische Sachverhalte des Wirtschaftens (z.B. private Haushaltsrechnung, Risikovorsorge, Wohneigentum und Miete) explizit zum Thema zu machen.
Wir begrüßen sehr, dass das Inhaltsfeld 6 „Beruf und Arbeitswelt“ die individuelle berufliche Orientierung von Schülerinnen und Schülern stärken und die Herausforderungen einer sich wandelnden Arbeitswelt aufzeigen soll. Hier erleben wir in der Praxis oftmals einen großen Orientierungsbedarf junger Menschen.
Im Hinblick auf den Kompetenzwettbewerb regen wir dringend an, das Schulfach Wirtschaft für die Schülerinnen und Schüler möglichst konkret greifbar zu machen. Neben der notwendigen Vermittlung systematischer Grundlagen braucht es dazu primär eine lebenspraktische Perspektive. Während es Schülerinnen und Schülern – und auch Lehrkräften – naturgemäß recht leicht fallen wird, die Verbraucherperspektive einzunehmen, ist dies vermutlich für die unternehmerische Perspektive mangels eigener konkreter Erfahrungswerte oftmals nachvollziehbar schwieriger. Hier regen wir dringend einen intensiven praktischen Austausch zwischen Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern und der Wirtschaft an. Gern stehen wir als Wirtschaftsjunioren NRW hier für einen weitergehenden Austausch und konkrete Projekte zur Verfügung.
Abschließend und zusammenfassend möchten wir darauf hinweisen, dass es aus Sicht der Wirtschaftsjunioren NRW drei Kompetenzbereiche gibt, die in der schulischen Bildung bisher zu kurz kommen und die daher durch das neue Schulfach unabdingbar gestärkt werden sollten:
- Unternehmergeist
- Privates Haushalten mit Sinn und Verstand
- Lebenspraktisches Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge
Diese Kompetenzen haben eine hohe individuelle Bedeutung für jede Schülerin und jeden Schüler auf dem Weg zum mündigen Verbraucher, leistungsfähigen Arbeitnehmer und verantwortungsvollen Unternehmer. Sie sind darüber hinaus aber auch in der Summe der Gesellschaft unerlässliche Standortfaktoren für unser Land.
Thomas Müller
Landesvorsitzender 2020
Wirtschaftsjunioren NRW
Hier geht es zum offiziellen Entwurf des Kernlehrplans des Schul- und Bildungsministeriums NRW