Auch weiterhin führt die aktuelle COVID-19-Pandemie zu ganz erheblichen Einschränkungen in allen Bereichen des Privat- und Wirtschaftslebens. Im Angesicht der weitreichenden Kontaktverbote sind dabei nicht nur unsere Unternehmen betroffen, sondern ebenso unsere Vereinsarbeit. Man denke insoweit nur an Mitgliederversammlungen, die – soweit sie als Großveranstaltungen gelten – wohl noch (jedenfalls) bis zum 31. August untersagt bleiben. Vor einem Monat habe ich Euch von einer „Formulierungshilfe“ der Bundesregierung berichtet, die wesentliche Erleichterungen für die Beschlussfassung im Verein vorsah. Inzwischen haben die enthaltenen Regelungen Gesetzeskraft gewonnen. Diesen Anlass möchte ich nutzen, um Euch genauer über die Änderungen zu informieren und etwaige Fragen, die sich im Zusammenhang mit den Neuerungen stellen könnten, vorab zu beantworten.
Welche Regelungen sind neu?
Zum 28.03.2020 trat das „Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie von 27. März 2020“ (COVMG) in Kraft. Die für das Vereinsrecht relevanten Neuerungen enthält § 5 COVMG, der wie folgt lautet:
- Ein Vorstandsmitglied eines Vereins oder einer Stiftung bleibt auch nach Ablauf seiner Amtszeit bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung seines Nachfolgers im Amt.
- Abweichend von § 32 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann der Vorstand auch ohne Ermächtigung in der Satzung Vereinsmitgliedern ermöglichen,
- an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilzunehmen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation auszuüben oder
- ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung ihre Stimmen vor der Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abzugeben.
- Abweichend von § 32 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist ein Beschluss ohne Versammlung der Mitglieder gültig, wenn alle Mitglieder beteiligt wurden, bis zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen in Textform abgegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde.
Was ändert sich für die Amtszeit von Vorstandsmitgliedern?
Grundsätzlich gibt es erst einmal keine Änderungen. Die Amtszeit der Vorstandsmitglieder richtet sich weiterhin nach der jeweiligen Satzungsbestimmung. Normalerweise scheidet ein Vorstandsmitglied also automatisch aus dem Vorstand aus, sobald seine Amtszeit endet. Dies ist aber gerade in der heutigen Zeit problematisch: Wenn die Mitgliederversammlung verschoben werden muss und kein neuer Vorstand gewählt werden kann, wer vertritt dann den Verein? § 5 Abs. 1 COVMG trägt diesem Problem Rechnung, indem die Amtszeit des Vorstandsmitglieds bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung seines Nachfolgers verlängert wird. Das Vorstandsmitglied ist also weiterhin in der Lage, den Verein nach außen hin zu vertreten. Dadurch wird vermieden, dass ein Verein mangels einer hinreichenden Anzahl vertretungsberechtigter Vorstandsmitglieder handlungsunfähig wird. Für die Praxis präsentiert die Vorschrift jedoch nichts Neues: Viele unserer Satzungen sehen eine entsprechende Regelung ohnehin schon vor. Die Regelung ist daher vor allem für Kreise relevant, deren Satzung nicht die Bestimmung enthält, dass die Mitglieder des Vorstands nach Ablauf ihrer Amtszeit bis zu einer Neuwahl im Amt bleiben. Die Neuwahl muss freilich weiterhin im Rahmen einer Mitgliederversammlung erfolgen.
Apropos Mitgliederversammlung: Wie kann diese überhaupt stattfinden?
Bisher war Leitbild der Beschlussfassung im Verein eine Präsenzversammlung. Im Angesicht der COVID-19-Pandemie sieht § 5 Abs. 2 COVMG nunmehr zwei Ausnahmen von diesem Leitbild vor:
5 Abs. 2 Nr. 1 COVMG ermöglicht die Beschlussfassung im Rahmen einer „virtuellen Mitgliederversammlung“ auch ohne ausdrückliche Satzungsermächtigung. Bislang musste diese Möglichkeit explizit in der Satzung vorgesehen sein. Fortan genügt es also, wenn der Vorstand die Mitgliederversammlung live aufzeichnet und den Mitgliedern Gelegenheit zur elektronischen Abstimmung und Interaktion gibt. Dabei ist auch möglich, dass ein Teil der (Vorstands-)Mitglieder an einem bestimmten Ort zusammenkommt und andere Mitglieder im Wege elektronischer Kommunikation teilnehmen. Im Übrigen handelt es sich um eine „ganz normale“ Mitgliederversammlung. Das bedeutet, dass sämtliche Vorschriften, die für die Organisation der Präsenz-Mitgliederversammlung gelten, gleichermaßen für die virtuelle Versammlung Anwendung finden. Die Versammlung muss mithin ordnungs- und fristgemäß einberufen werden, wobei in der Einladung zur Mitgliederversammlung bereits darauf hinzuweisen ist, dass es sich um eine virtuelle Versammlung handelt. Zusätzlich zur Angabe des Versammlungsortes, an dem sich der Vorstand aufhält, ist die Übertragungsart anzugeben; gegebenenfalls ist bereits ein erforderlicher Link zur Verfügung zu stellen. Ferner müssen weiterhin die Tagesordnungspunkte angekündigt werden. „Probleme“, die während der Durchführung einer Präsenz-Mitgliederversammlung auftreten können, stellen sich in der virtuellen Versammlung in nur geringfügig geändertem Gewand. So sind die Mitglieder auch künftig berechtigt, Fragen zu stellen. Die Behandlung der Fragen obliegt dann unverändert dem Versammlungsleiter. Selbstredend kann es angesichts der virtuellen Medien zu einer erhöhten Anzahl an Fragen kommen, die gegebenenfalls den zeitlichen Rahmen sprengen würden. Erhält der Vorstand – etwa über eine eingebaute Chatfunktion – zu viele oder sogar unangemessene Fragen, so liegt es im Ermessen des Versammlungsleiters, diese nach ihrer Relevanz zu ordnen oder unbeantwortet zu lassen. Im Lichte der für viele Vereine unerprobten Übertragungsmöglichkeit wird man dem Versammlungsleiter einen gewissen Ermessensspielraum einräumen müssen. Die Stimmabgabe selbst richtet sich weiterhin nach der Satzung: Handzeichen können auch im Wege einer Videoübertragung übermittelt werden, eine schriftliche Geheimwahl kann durch eine anderweitig anonymisierte Stimmabgabe ersetzt werden.
Auf der virtuellen Mitgliederversammlung „gilt“ jedes teilnehmende Mitglied als anwesend, obwohl es gar nicht am Versammlungsort weilt. Aber auch Mitgliedern, die nicht an der (virtuellen) Mitgliederversammlung teilnehmen können oder möchten, kann die Möglichkeit einer vorherigen Stimmabgabe gewährt werden. So sieht § 5 Abs. 2 Nr. 2 COVMG vor, dass deren Stimmen vor Durchführung der Mitgliederversammlung in Schriftform abzugeben sind. Der Vorstand kann also bereits Stimmen berücksichtigen, die Mitglieder hinsichtlich bestimmter vorab angekündigter Tagesordnungspunkte beispielsweise per einfachem Brief abgegeben haben. Eine Verpflichtung hierzu besteht für den Vorstand freilich nicht. Er sollte in der Einladung daher klarstellen, ob eine derartige schriftliche Stimmabgabe im Vorfeld der Versammlung möglich ist.
Was ist mit Vereinsbeschlüssen außerhalb von Mitgliederversammlungen?
Solche Beschlüsse waren bislang nur wirksam, wenn sämtliche Mitglieder dem Beschluss in schriftlicher Form zugestimmt haben. Es versteht sich von selbst, dass solche sog. Umlaufbeschlüsse nur äußerst selten gefasst wurden. Mit § 5 Abs. 3 COVMG vereinfacht der Gesetzgeber die Beschlussfassung im Umlaufverfahren nun in zweierlei Hinsicht. Zum einen genügt es fortan, wenn bis zu dem vom Verein gesetzten Termin lediglich mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen abgegeben haben. Einstimmigkeit ist nicht mehr erforderlich. Zum anderen genügt für die Stimmabgabe die Textform. Mitglieder können ihre Zustimmung daher nun auch per E-Mail erklären. Dies erleichtert die Beschlussfassung erheblich. Stehen nur einzelne, schnell zu fassende Maßnahmen im Raum, mag es sogar gebotener erscheinen, einen Umlaufbeschluss herbeizuführen, anstatt eine (außerordentliche) Mitgliederversammlung einzuberufen. Allerdings ist weiterhin zu beachten, dass sämtliche Mitglieder am Umlaufverfahren zu beteiligen sind und dass der Beschluss mit der laut Gesetz oder Satzung erforderlichen Mehrheit gefasst wird.
Was gilt für die Beschlussfassung im Vorstand?
Hierzu schweigt das Gesetz leider. Nicht selten sehen Satzungen für Vorstandsbeschlüsse ebenfalls eine räumliche Zusammenkunft vor. Gerade größeren Vorständen wird es aber nicht zuzumuten sein, für eine Beschlussfassung gegen Kontaktbeschränkungen zu verstoßen. Es ist daher davon auszugehen, dass mit Blick auf den Zweck des Corona-Gesetzes, die Handlungsfähigkeit des Vereins aufrechtzuerhalten, auch Vorstandsbeschlüsse nach den obigen Grundsätzen gefasst werden können. Das bedeutet insbesondere, dass auch ohne ausdrückliche Satzungsermächtigung eine virtuelle Vorstandssitzung einberufen werden kann. Gleichwohl sollte vorab die Zustimmung sämtlicher Vorstandsmitglieder eingeholt und protokolliert werden, damit die gesetzgeberische Unschärfe keinen Anlass dafür bietet, einen virtuell gefassten Beschluss später zu „boykottieren“.
Wie lange gelten die Neuerungen?
Die obigen Bestimmungen sind zunächst nur anwendbar auf im Jahr 2020 ablaufende Bestellungen von Vereinsvorständen und im Jahr 2020 stattfindende Mitgliederversammlungen. Der Gesetzgeber hat dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz aber einseitig die Möglichkeit eingeräumt, das Gesetz bis zum 31. Dezember 2021 zu verlängert, wenn dies aufgrund fortbestehender Auswirkungen der Pandemie geboten erscheint.
„Insgesamt sind die Neuerungen aus meiner Sicht zu begrüßen. Sicherlich werden sich einige Fragen im Hinblick auf die Durchführung der virtuellen Mitgliederversammlung ergeben. Jedenfalls in rechtlicher Hinsicht ändert sich aber nicht besonders viel, sodass die Umstellung auf die neuen Beschlussmöglichkeiten im Großteil eher technische Probleme betreffen sollte. Gleichwohl stehe ich Euch selbstverständlich bei etwaigen Rückfragen zu den Auswirkungen auf eure Kreise unter glc@wjnrw.de jederzeit gerne zur Verfügung. Mit den besten Juniorengrüßen, Julius Busold (GLC WJNRW)“