Laut Greenpeace kauft jede Person in Deutschland durchschnittlich 60 Kleidungsstücke pro Jahr. Jedes fünfte davon bleibt dann aber meist ungetragen. Unterirdische Preise, ganzjährige Rabattaktionen und schnelllebige Modetrends verleiten zum schnellen und oft unüberlegten Kauf. „Fast Fashion“ nennt man diese Entwicklung. Und die Öko-Bilanz dieser Kleidungsstücke: fatal. Der Wasserverbrauch ist riesig, der CO-Verbrauch ebenso. Von den Arbeitsbedingungen ganz zu Schweigen. Um das 1,5-Grad-Ziel der Klimapolitik erreichen zu können und das globale Müllproblem zu lösen, kommen alle großen Industriezweige weltweit nicht um ein Umdenken herum. So auch nicht die Textil- und Modebranche. Fast Fashion gilt als extremer CO2-Treiber – deshalb sind neue und nachhaltige Trends gefragt.


Qualität statt Quantität: Nachhaltige Slow Fashion soll die Modebranche fairer und nachhaltiger gestalten.

Der Begriff Slow Fashion beschreibt die Bewegung, Kleidung für einen langlebigen Einsatz unter fairen Bedingungen ethisch zu produzieren.

Im September durften rund 50 interessierte Juniorinnen und Junioren aus ganz NRW beim ersten Fair Fashion Event der Wirtschaftsjunioren Nordrhein-Westfalen in der Textilstadt Mönchengladbach erfahren, wie man es besser machen kann.


Jeans „Made in Europe“

Hans-Uwe Gansfort ist Geschäftsführer der C&A FIT GmbH und Leiter der Denim-Produktionsstätte in Mönchengladbach. Wo vor vielen Jahren die traditionelle Textilproduktion abgewickelt wurde, schnurren seit 2021 wieder die Nähmaschinen: In den Fertigungshallen im traditionsreichen Monforts-Quartier entstehen rund 1.200 Jeans am Tag, gefertigt in etwa 17 Minuten pro Stück. Massenmode aus Deutschland: günstig, nachhaltig und lokal.

Nach einer exklusiven Führung durch die Produktionsstätte sowie die daran angeschlossene Wäscherei „140 Fahrenheit“, welche den fertig genähten Jeans mithilfe modernster Laser-, Wasch-, Wasserrecycling- und Energierückgewinnungstechnologie das perfekte Finish verleiht, diskutierte Gansfort mit weiteren Expert/innen über die Erprobung der De-Globalisierung des C&A-Konzerns sowie weitere Ideen und Wege, ein nachhaltiges Modebewusstsein und Konsumverhalten in den Köpfen der Endverbraucher/innen zu schaffen.

Dr. Monika Hauck, Gründerin des „Repair Label Düsseldorf“, setzt ganz klar auf das Motto „Reparieren statt Wegwerfen“. Ein abgerissener Knopf, ein hakender Reißverschluss oder ein Loch im Lieblings-Pullover – das alles seien keine Gründe, ein Kleidungsstück gleich entsorgen zu müssen. Reparaturen in Schneidereien seien nicht nur nachhaltig, sondern oftmals bedeutend günstiger als der Neukauf eines weiteren Kleidungsstücks. Und wer zeitlose Mode repariert, rettet diese über viele Jahre und kauft weniger häufig neue Kleidung.

Zustimmung erhält Hauck auch durch Prof. Dr. Maike Rabe. Als Leiterin des Forschungsinstituts für Textil und Bekleidung an der Hochschule Niederrhein (FTB) betrachtet sie die Trends von der wissenschaftlichen Seite. Es gebe bereits verschiedene Hebel, Nachhaltigkeit auch in der Mode für den Endkonsumenten attraktiv zu machen. Letztlich müsse vor allem der Einzelhandel das Bewusstsein durch die Erweiterung des Angebots für nachhaltig und fair produzierte Kleidung erweitern; ein Anstieg nachhaltiger Mode sei bereits festzustellen, jedoch erfolge dieser von einem sehr niedrigen Ausgangspunkt. Insbesondere die in den vergangenen Jahren stark gestiegenen Lebenshaltungskosten belasten viele Verbraucher/innen sehr. Dass ein einzelnes fair und lokal produziertes T-Shirt aus Bio-Baumwolle keine 5,- Euro kostet, sei für die meisten nachvollziehbar. Der sechsfache Preis dafür sei für viele Verbraucher/innen durch die vorgenannten Umstände jedoch oft nicht zu leisten.


Umdenken oder „Um-Fühlen“?

Lea Grimm berät Unternehmen in den Bereichen PR und Kommunikation und hat selbst Mode- und Designmanagement sowie Fashion- und Produktmanagement in Düsseldorf studiert. Aus ihrer Sicht spielen für ein unternehmensinternes Umdenken sowohl im Einzelhandel als auch in großen Warenhäusern viele interne Faktoren eine Rolle. Um eine Transformation eines Unternehmens aufzubauen sei es von Vorteil, Startups ins Boot zu holen, die vor allem mit der jungen Generationen einen Großteil der Zielgruppe ansprechen und sich genau mit dem Abbau und der Überwindung verschiedenster Hürden auskennen und beschäftigen.

Gansfort ergänzt, dass die Innovation, die wir bereits heute in Deutschland für eine klimafreundliche Produktion nutzen, ein globaler Treiber sein kann. Dafür müsse man jedoch Kollaborationen zulassen und Bereitschaft zur Kooperation mit Billigproduktions- und Niedriglohnländern zeigen. Nur so könne die Umweltbelastung in ebendiesen Ländern eingegrenzt und langfristig deutlich verringert werden.

Was am Ende tatsächlich nachhaltiger ist, hängt also von verschiedenen Faktoren ab. Schon das eigene, persönliche Bewusstsein und der Mut zum Umdenken jedes Einzelnen von uns ist ein erster, wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Es muss nicht gleich der ganze Kleiderschrank voller Fair Fashion sein. Das persönliche „Um-Fühlen“ kann uns dabei helfen: „Brauche ich diesen Pullover wirklich? Muss es ein zweites Paar weißer Sneaker sein? Werde ich dieses Kleid auch in fünf Jahren noch tragen?“ Es ist noch ein langer Weg hin zu nachhaltigem Modekonsum; doch nur so kann der Trend zum kulturellen Standard werden.


Moderiert wurde die Diskussionsrunde von Simone Claßen (Ressort Innovation & Zukunft im WJNRW-Landesvorstand) sowie Matthias Morawetz (Ressort Kommunikation im WJNRW-Landesvorstand). Die Wirtschaftsjunioren NRW bedanken sich ganz herzlich bei C&A FIT für die Möglichkeit der Unternehmensbesichtigung sowie bei der Wirtschaftsförderung Mönchengladbach und Noi! Catering für die außerordentliche Unterstützung bei der Realisierung des ersten Fair Fashion Events.


Fotos: Wirtschaftsjunioren NRW / Oskar Siebers Photography