Die geplante Absenkung der Einkommensgrenze für das Elterngeld seitens der Bundesregierung könnte die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für junge Unternehmer/innen und Führungskräfte erheblich erschweren.


Eine maßgebliche Sorge besteht darin, dass Betroffene im Falle einer Absenkung während ihrer Elternzeit möglicherweise Schwierigkeiten haben, die entstehende Einkommenslücke angemessen zu überbrücken. In dieser Situation sind Eltern verstärkt auf ihre eigenen finanziellen Mittel angewiesen, was vor allem für junge Selbstständige im schlimmsten Fall zu einer existenziellen Herausforderung werden könnte. Der Druck, frühzeitig in den Beruf zurückzukehren, um die finanzielle Stabilität zu wahren, könnte zu Beeinträchtigungen der angestrebten Work-Life-Balance führen und die Möglichkeit einer ausreichenden Zeit für die persönliche Betreuung des Nachwuchses einschränken. Insgesamt würden die geplanten Maßnahmen die Grundlagen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erheblich minimieren.

Mehrheit der jungen Wirtschaft gegen Änderung beim Elterngeld

Der Bundesverband der Wirtschaftsjunioren Deutschland veröffentlichte jüngst die Ergebnisse einer Umfrage zu den Plänen der Bundesregierung, an der sich über 1.500 Mitglieder des Verbandes beteiligt haben. Dabei lehnt die Mehrheit die Änderungen beim Kindergeld entschieden ab. Laut Tobias Hocke, Bundesvorsitzender der Wirtschaftsjunioren Deutschland, sei vielen Mitgliedern die geplante Absenkung der Einkommensgrenze zu undifferenziert. Im Vorfeld einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses im Bundestag machte Hocke nochmals deutlich, dass dem Verband die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Chancengleichheit von Männern und Frauen äußerst wichtig sind. Im geplanten Gesetzesvorhaben fänden diese Grundsätze jedoch zu wenig Berücksichtigung. Dabei gehe es nicht um rein finanzielle Aspekte, so Hocke weiter. „Eine Mehrheit unserer Mitglieder hat sich im vergangenen Jahr trotz finanzieller Einbußen gegen das Ehegattensplitting ausgesprochen, das unserer Meinung nach ebenfalls eine Ungleichheit der Geschlechter befördert. Es ist ein positives Signal, dass neben der Ablehnung des Antrags vonseiten der CDU/CSU-Fraktion auch die SPD-Fraktion inzwischen mit dem 6+6+6-Modell eine differenziertere Weiterentwicklung des Elterngelds vorgeschlagen hat“, so Hocke.


Angst vor finanzieller Abhängigkeit

Besonders beunruhigend ist das Ergebnis, dass mehr als 30 Prozent der befragten Mitglieder nach der Herabsenkung der Einkommensgrenze gar kein Elterngeld mehr beziehen könnten. Die Befragten sprechen sich mit 92 Prozent mehrheitlich dafür aus, dass der Staat Eltern in den ersten Monaten nach der Geburt unterstützen sollte. Diese Unterstützung wird als notwendig erachtet, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Absenkung der Einkommensgrenze dazu führt, dass vor allem Personen in der Blüte ihrer Karriere auf null Einkommen zurückfallen und in eine Abhängigkeit von einem Partner geraten könnten.


Hohe Erwartungen und falsche Signale

Auch NRW-Landesvorsitzender Mark Klein, selbst Unternehmer und Familienvater, befürchtet massive Folgen für junge Familien, wenn die Politik weiterhin falsche Signale für eine zukunftsreiche und familienfreundliche Arbeitswelt sende. Die heutige Gesellschaft erwarte gleichermaßen von Frauen und Männern, beruflich aktiv zu sein und finanziell zum gemeinsamen Lebensunterhalt beizutragen. Bei dem Bestreben nach finanzieller Gleichberechtigung erschwere die nun angekündigte, stufenweise Herabsenkung der Einkommensgrenze insbesondere jungen, beruflich erfolgreichen Menschen die Familienplanung. „Ein falsches Signal.“ findet Mark Klein. „Denn Personen mit höherem Einkommen leisten bereits einen erheblichen Beitrag durch höhere Steuern und andere finanzielle Verpflichtungen.

In diesem Zusammenhang sollte nach Meinung von Mark Klein die Diskussion über die Förderung junger Familien auch den Blick auf die Verfügbarkeit von Kita-Plätzen richten. Der Mangel an ca. 350.000 Kita-Plätzen in Deutschland zeige, dass die Infrastruktur nicht mit den Bedürfnissen der jungen Eltern Schritt gehalten hat. Doch statt einer Verbesserung der Situation in absehbarer Zeit habe mit der Reduzierung von Öffnungszeiten, Schließung von Angeboten und drohenden Insolvenzen das leise Sterben bei Kindertageseinrichtungen und Offenen Ganztagsschulen (OGS) begonnen. „Diese oftmals schwierige Betreuungssituation führt dazu, dass sich für Unternehmen der Fachkräftemangel und der Druck, Familie und Beruf der Angestellten miteinander zu vereinbaren, noch einmal zusätzlich verstärkt“, so Klein deutlich.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erfordere demnach nicht nur individuelle Anstrengungen, sondern auch gesellschaftliche Unterstützung und eine umfassende Betrachtung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Mark Klein ist überzeugt: „Nur so können wir eine zukunftsorientierte und familienfreundliche Arbeitswelt schaffen.“

„Die Chance zur persönlichen Weiterentwicklung geht mit Beginn der Mutterschaft oft einfach verloren“, so Viktoria Peveling, Landesvorstand der Wirtschaftsjunioren NRW

Viktoria Peveling ist selbst Unternehmerin, Mutter von zwei Kindern und als Mitglied des Landesvorstands der Wirtschaftsjunioren NRW im WDR-Rundfunkrat aktiv. Sie kritisiert entschieden die geplante Absenkung der Einkommensgrenze beim Elterngeld. „Die Chancengerechtigkeit für Frauen in der Arbeitswelt ist von entscheidender Bedeutung, insbesondere wwährend der Phase, in der Kinder intensive Pflege benötigen“, so Peveling. Die vorgesehene Absenkung des Elterngelds sieht sie als kontraproduktives Signal, das vor allem jungen Frauen die Möglichkeit nimmt, sich beruflich weiterzuentwickeln. In ihrer persönlichen Rolle als Mutter zweier schulpflichtiger Kinder sieht sie darin eine Rolle rückwärts und fordert politische Unterstützung, um veraltete Strukturen zu überwinden.

„Ich habe bei den Wirtschaftsjunioren selbst immer wider beobachten müssen, wie sich zahlreiche Frauen aufgrund von Nachwuchs nicht mehr aktiv ehrenamtlich engagieren und an Projekten mitwirken konnten und somit die Chance zur persönlichen Weiterentwicklung einfach verloren gint“, bedauert sie. Ihr Wunsch? Eine gerechte Aufteilung von Beruf und Familie, um jungen Frauen gleiche Chancen zur Entwicklung zu ermöglichen.


Autoren: Wirtschaftsjunioren Deutschland | Wirtschaftsjunioren NRW (Jeannette Leuther)
Herausgeber der Umfrage: Wirtschaftsjunioren Deutschland e.V. (www.wjd.de)
Grafiken: dot_agentur, Harburg